Bewegende Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof

„Wir sind Geschwister im Glauben“

Am 20. Oktober jährte sich zum 80. Mal der Tag, an dem jüdische Lüdinghauser exhumiert und in ein Massengrab in Dortmund verbracht wurden. Zu der denkwürdigen Erinnerungsveranstaltung war auch Sharon Fehr gekommen. „Hier und heute finden eine bewusste Reflexion und Bewusstmachung statt“, sagte er. Aufgabe einer bewussten Aufarbeitung sei auch das Verhindern eines Wiedererstarkens des Antisemitismus.

Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr (v.l.), Matthias Kortendieck und Sharon Fehr vom jüdischen Landesverband präsentierten gemeinsam mit Michael Kertelge und Alfred Focke die neuen Infotafeln. Foto: awf (Westfälische Nachrichten)

Der jüdische Friedhof in Lüdinghausen ist seit Donnerstagnachmittag mit Informationstafeln ausgestattet, die an die bewegte und schmerzhafte Geschichte dieser letzten Ruhestätte erinnern. „Heute ist ein erinnerungswürdiges Datum“, stellte Pastoralreferent Michael Kertelge fest. Denn am 20. Oktober jährte sich zum 80. Mal der Tag, an dem jüdische Lüdinghauser exhumiert und in ein Massengrab in Dortmund verbracht wurden.

Zu der denkwürdigen Erinnerungsveranstaltung war auch Sharon Fehr gekommen. Das Vorstandsmitglied im Landesverband der Jüdischen Gemeinden machte eindrucksvoll den Schmerz deutlich: „Ein jüdisches Grab bleibt für immer.“

Ab 1945 galt es für die Zivilgesellschaft schließlich, den Friedhof wieder in einen würdigen Zustand zurückzuführen. „Zu diesem Zeitpunkt gab es in Lüdinghausen kein jüdisches Leben mehr“, erklärte Kertelge das Ergebnis der brutalen Verfolgungen durch die Nationalsozialisten.

Mit einem „herzlichen Shalomgruß“ wandte sich Fehr an die zahlreichen Lüdinghauser; „der Stadt und dem Heimatverein gilt mein größter Respekt.“ Aufgabe einer bewussten Aufarbeitung sei auch das Verhindern eines Wiedererstarkens des Antisemitismus. „Hier und heute finden eine bewusste Reflexion und Bewusstmachung statt“, wandte er sich anerkennend an die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Die Solidarität für das Leid der Opfer zeigte sich auch durch einen Text, der von zwei Schülerinnen des St.-Antonius-Gymnasiums, begleitet von ihrem Lehrer Johannes Kretschmer, vorgetragen wurde. „Dieses Leid fand auch bei uns in Lüdinghausen statt“, stellten sie fest. Dabei gelte es, sich die einzelnen Schicksale vor Augen zu führen: bis zum Kind, das aus seinem unbeschwerten Leben gerissen wurde.

„Durchlöchern Sie mich“, lud Fehr die Gäste zum Rundgang ein. „Was hat es mit den Steinen auf den Grabsteinen auf sich?“, lautete eine Frage. „Sie sind ein Zeichen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist.“ Vor dem Hintergrund des ewigen Begräbnisses im Judentum brachte er die Wirkung der Erinnerung in den Gemeinden auf den Punkt: „Exhumierungen bereiten uns große Schmerzen.“ Die Solidarität von Bürgerschaft, Heimatverein und der Gemeinde St. Felizitas berührte ihn deutlich: „Wir sind Geschwister im Glauben, denn es gibt große Schnittmengen zwischen Juden- und Christentum.“

Die Freude über die große Teilnehmerzahl berührte auch Heimatvereinsvorsitzenden Alfred Focke: „Es freut mich, dass zu diesem Anlass so viele Menschen erschienen sind.“

Einen emotionalen Fall von Solidarität legte schließlich Kertelge dar. So war ein jüdischer Tierarzt in Lüdinghausen bei einem Freund untergetaucht, der sein Leben riskierte, um ihn vor den Häschern des Regimes versteckt zu halten.

Die heute umfangreiche Solidarität unterstrichen auch Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr und der städtische Beigeordnete Matthias Kortendieck.

-awf- (Westfälische Nachrichten vom 21.10.2022)